Es war einmal ein Weihnachtsbaum, der wollte anders sein als seine Geschwister.
Die wuchsen munter vor sich hin, aber eines Tages holte man sie plötzlich ab und sie waren nie mehr gesehen. Man munkelte, dass sie in Häuser gebracht und dort sogar geschmückt und besungen wurden. Eine schöne Vorstellung, dachte der Weihnachtsbaum.
Doch, wie man hörte, war die Liebe und Freude nur von kurzer Dauer. Ohne Wurzeln fielen die Nadeln schnell ab. Die Menschen schimpften über den Schmutz und warfen ihre vorher so innig gehegten und gepflegten Bäumchen einfach weg. Später verbrannte man sie oder ließ sie verrotten. Eine grausige Vorstellung. Da wollte der Weihnachtsbaum auf keinen Fall mitmachen! Eine Lösung musste her…
Er dachte lange nach und schließlich hatte er eine Idee. Seine Wurzeln und sein Stamm wären aus stabilem Stahl, sodass er immer Halt finden und ihn niemand umschneiden konnte. Sein Qualitätsholz sollte nur aus Österreichischen Wäldern kommen. Holz und Größe suchten man sich einfach nach eigenen Bedürfnissen aus. Er stellte sich im klassischen Holz einer Fichte und schunkelnd zu „Stille Nacht“ vor oder ganz wild in dunkler Thermoesche beim Headbangen zu AC/DC.
Er könnte einfach sein was er wollte. Zur Abwechslung auch mal ein praktischer Kleiderständer, ein fescher Raumteiler oder sogar ein Kunstwerk? Was für ein Spaß! Fädelte man seine Holzäste verschieden auf, entstand ein Osterstrauch oder auch eine abstrakte Form. Und was ihm besonders gefiel: Er wäre Teil einer Familie und als Familienmitglied jedes Jahr wieder eingeladen. Die Kinder könnten ihn auch allein ohne Papas Hilfe aufbauen und später mit ehrfürchtigen, strahlenden Augen ansehen. Oma betrachtet ihn anfangs vielleicht noch etwas skeptisch, aber sobald Onkel Herbert etwas beschwipst und mit voller Inbrunst „Oh Tannenbaum“ grölt, würden alle ihm zu Ehren miteinstimmen. Der Weihnachtsbaum vereinte die Familie. Ja, so stellte er sich das vor.
Und dann eines Tages war es wirklich soweit. Fleißige Hände schnitten, schliffen und polierten sein Holz. Er wurde auf ein starkes Edelstahlkreuz gestellt. Seine Holzäste reihten sich um einen stabilen Edelstahlstamm. Distanzhülsen schafften Platz für Schmuck und Lichterketten. Als i-Tüpfelchen wurde ihm noch eine schöne Spitze auf den Kopf gesetzt. Jetzt stand er da in voller Pracht. Er strahlte vor Glück. Wer nahm ihn wohl mit nach Hause? Würde er Freunde fürs Leben finden? Jemanden, der etwas Positives und Nachhaltiges zur Zukunft beitragen wollte?
Die Lichter funkelnden und die Christbaumkugeln glänzten. Es war Liebe auf den ersten Blick und mit einem Schlag war er für jemanden „der Weihnachtsbaum, Punkt und ade“.